Ackerland

Fachbeitrag zur Thematik Bodenmärkte: Drücken die Zinsen auf den Preis?

top agrar – Ausgabe 8/2023

Bodenmärkte: Drücken die Zinsen auf den Preis?
Der rapide Zinsanstieg hat auf den Immobilienmärkten für Verunsicherung gesorgt. Gilt das auch für landwirtschaftliche Flächen? Wir haben uns umgehört.

Die Bodenpreise sind in den vergangenen Jahren stark gestiegen. Verantwortlich dafür waren auch außerlandwirtschaftliche Investoren, die wegen der niedrigen Zinsen ihr Geld anstatt in den Finanzmarkt in Ackerland oder Immobilien investierten. Doch mittlerweile sind die Zinsen gestiegen. Sinkt damit auch der Druck auf die Bodenpreise?
Um die Frage zu beantworten, haben wir uns die Zinsentwicklung und den Immobilienmarkt angeschaut und Experten um ihre Einschätzung gebeten.

DIE ZINSENTWICKLUNG
Die Zinsen haben ein Zehn-Jahreshoch erreicht. Der Wandel begann Anfang 2022 – und das dann rasant. Von einem historisch niedrigem Niveau mit unter 1 % ging es rauf auf zeitweise über 4 %. Die Zentralbanken haben mit großen Zinsschritten versucht, der Inflation Herr zu werden. Mittlerweile steht der Leitzins der Europäischen Zentralbank bei 4 % und die Zinsen für zehnjährige Kredite haben sich auf knapp unter 4 % eingependelt. Was die nächsten Monate noch bringen werden, ist ungewiss. Analysten gehen kurzfristig von keinem
Rückgang aus.
Die Inflation ist im Juni mit 6,4 % in Deutschland weiterhin hartnäckig hoch und weit von den von der Europäischen Zentralbank anvisierten 2 % entfernt. Daher dürfte die EZB noch nicht groß auf Entspannung setzen und den Leitzins zumindest auf derzeitigem Niveau
halten oder gegebenenfalls mit abgeschwächtem Tempo weiter erhöhen.
Der Anstieg der Zinsen hat auch für große Verunsicherung im Immobiliensektor gesorgt. Insbesondere der Markt für private Wohnimmobilien fiel in eine Starre. Verkäufer waren noch verwöhnt von der großen Nachfrage und den steigenden Preisen. Aber die Käufer konnten und wollten diese Preise bei gleichzeitig gestiegenen Finanzierungskosten nicht mehr zahlen.

DER IMMOBILIENMARKT
Im vierten Quartal des letzten Jahres, ein Dreiviertel Jahr nach Beginn des Zinsanstiegs und mitten in der Energiekrise, wies das Statistische Bundesamt rückläufige Immobilienpreise aus. Dieser Trend hat sich bisher fortgesetzt, wobei es deutliche Unterschiede, insbesondere auf dem Wohnungsmarkt zwischen neuen und älteren Immobilien gibt. Bei Neuimmobilien gab es stagnierende bis leicht ansteigende Preise, wohingegen bei alten, unsanierten Immobilien massive Abschläge zu verzeichnen sind. Hauptgrund dafür: Ältere Gebäude müssen womöglich aufwendig saniert werden.
Hier zeigt sich, dass viele Faktoren Immobilienpreise beeinflussen. Zwar hat immer noch die Lage des Gebäudes einen entscheidenden Einfluss. Deutlich an Gewicht haben hingegen Alter, Heizungsart und der energetische Standard gewonnen. Wenn es bereits innerhalb
von Wohnimmobilien starke Unterschiede in der Marktentwicklung gibt und die Weisheit „Lage ist alles“ nicht mehr zu stimmen scheint, wie sieht es dann mit den landwirtschaftlichen Flächen aus?
In den letzten 10 Jahren haben sich die Preise für landwirtschaftliche Flächen – analog zu anderen Immobilien – stark erhöht. Im Durchschnitt stiegen sie zwischen 2010 und 2020 um 125 %. Damit einher ging oft die Entkopplung der Preise von den Produktionswerten der Fläche und auch immer mehr außerlandwirtschaftliche Investoren kauften Ackerflächen. Eine Arbeitsgruppe von Bund und Ländern kam vor einigen Jahren zu dem Ergebnis, dass zwischen 20 und 35 % der verkauften landwirtschaftlichen Flächen an Nichtlandwirte gehen. Sie nutzen die Flächen hauptsächlich als langfristige und sichere Geldanlage. Übersicht 2 zeigt den Anstieg der durchschnittlichen Flächenpreise in Deutschland. Dabei gibt es große regionale Unterschiede. So kostet Ackerland in NRW oder Bayern ein Vielfaches von dem, was im Saarland oder Thüringen verlangt wird. Aber der Trend zeigte nach oben.

DAS SAGEN EXPERTEN
Mit der Zinswende und der eher gedämpften Stimmung am Immobilienmarkt stellt sich die Frage: Ist für landwirtschaftliche Flächen ein ähnlicher Preisrückgang zu erwarten? Um das Ergebnis vorweg zu nehmen: Eine eindeutige Antwort gibt es (noch) nicht, dafür reicht die Datenlage bisher nicht aus. Aber ein Stimmungsbild gibt Einblicke.
Die aktuellsten Preise für landwirtschaftliche Flächen vom Statistischen Bundesamt sind von 2021. Neuere Zahlen liegen noch nicht vor. Und auf Anfrage von top agrar konnte zum Beispiel auch das Immobilienportal Immoscout24, das nicht nur Immobilien, sondern auch Flächen makelt, keine Aussage über die Preisentwicklung für Agrarflächen machen. Es gebe zu wenige Inserate für eine eindeutige Aussage.
Was für steigende Preise spricht: Wohnraum lässt sich in die Höhe bauen und nachverdichten. Boden hingegen ist knapp und nicht vermehrbar. Er wird sogar immer knapper. Pro Tag werden in Deutschland über 50 ha neu versiegelt. Dabei geht es in der Regel um landwirtschaftliche Flächen, die für Wohn- oder Gewerbenutzung erschlossen werden oder um den Straßenbau. Gleichzeitig gibt es konkurrierende Nutzungsformen innerhalb der landwirtschaftlichen Nutzung. So können auf landwirtschaftlichen Flächen Nahrungsmittel, Futter oder auch Energiepflanzen angebaut werden. Und der Flächendruck hat durch die gestiegene Attraktivität von Freiflächen-Photovoltaikanlagen zudem eher zugenommen.
Was auf sinkende Preise hindeuten könnte: Die gestiegenen Zinsen dürften zum Beispiel außerlandwirtschaftliche Investoren dazu bringen, wieder andere Anlageklassen zu favorisieren.
Bestätigen lässt sich eine von beiden Thesen bislang noch nicht. Auch die von uns befragten Expertinnen und Experten aus der Wissenschaft, der Finanzbranche oder dem Immobiliensektor zeichnen ein differenziertes Bild.

KLIMATISCHE EINFLÜSSE
So hält Prof. Dr. Alfons Balmann vom Leibniz-Institut für Agrarentwicklung (IAMO) den Einfluss der Zinswende auf die Bodenmärkte derzeit für gering. Regionale Preisrückgänge, die es zum Beispiel im letzten Jahr in Sachsen-Anhalt gegeben habe, seien eher auf die vergangenen Dürrejahre und schlechte Ernteaussichten zurückzuführen. Zudem habe sich der Preisanstieg in vielen anderen Regionen bereits in den Vorjahren deutlich abgeschwächt. Allerdings gelte das nicht, wenn der Flächendruck besonders hoch sei, zum Beispiel wenn es regional viele landwirtschaftliche Betriebe auf engem Raum gebe oder in Regionen mit einer hohen und wachsenden Anzahl an Gewerbegebieten und in den Stadtrandlagen. Parallelen zu Wohnimmobilien seien schwer zu ziehen. „Kaum 1 % der landwirtschaftlichen Flächen wird jährlich gehandelt“, so Balmann.

DRUCK IN BALLUNGSRÄUMEN
Auch Julius Losch, Geschäftsführer beim Agrarimmobilienmakler Losch & Meyer, schätzt die Lage ähnlich ein wie Balmann. Er vermittelt Flächen in ganz Deutschland und sieht in Hotspots, die meist in der Nähe von Ballungsräumen liegen, weiterhin eine hohe Nachfrage. Einen Grund, warum die Zinswende sich aus seiner Sicht bei seinen Geschäften nicht bemerkbar macht: Die Flächenkäufer bringen häufig sehr viel Eigenkapital mit. Dabei handele es sich um außerlandwirtschaftliche Käufer, Landwirte, die reinvestieren oder aber auch um einfach sehr erfolgreiche landwirtschaftliche Betriebe mit viel Geld auf der hohen Kante.
Ähnlich bewertet Andreas Eßer die Situation. Er ist Geschäftsführer von Greif & Meyer, ebenfalls einem auf Landwirtschaft spezialisierten Makler. „Bei reinen Flächenverkäufern gibt es keine Korrektur“, so Eßer. Wenn hingegen nicht nur Flächen, sondern auch Gebäude oder komplette Betriebe den Besitzer wechseln, lasse sich ein Preisrückgang von 10 bis 15 % beobachten. Denn in diesen Fällen sei der Fremdkapitalanteil in der Regel sehr viel höher.

LANGFRISTIGE INVESTMENTS
Hinzu kommt: Die Laufzeiten für Flächenfinanzierungen strecken die Käufer meist auf deutlich längere Zeiträume als bei klassischen Wohnimmobilien. Das hat Kerstin Lohmann in ihrem Arbeitsalltag beobachtet. Sie ist Firmenkundenbetreuerin für Landwirtschaft bei der DKB und zuständig für Schleswig-Holstein und das nördliche Niedersachsen. Während Privatpersonen die eigenen vier Wände gerne in 20 bis 30 Jahren komplett sein Eigen nennen möchte, komme es bei Finanzierungen für landwirtschaftliche Flächen auch vor, dass diese auf 30 oder 50 Jahre abbezahlt werden. Für ihre Region komme noch ein weiterer Preistreiber hinzu.
Im Norden würden zurzeit enorm viele Freiflächenphotovoltaik-Anlagen, sowie Windparks geplant. Investoren in diesem Bereich seien bereit, deutlich höhere Preise zu zahlen. Auch die Tatsache, dass nur wenige Flächen auf den Markt kämen, bestätigte sie. Wenn dann doch mal in der Region die Chance bestehe, eine Fläche zu ergattern, würden natürlich viele die Chance ergreifen und der Darlehenszins sei erstmal zweitrangig.

ERNEUERBARE ENERGIEN
Vieles spricht also dafür, dass der Zinseffekt, wenn es ihn denn gibt, sehr klein ist. Und das Thema Erneuerbare Energien ist auf dem Vormarsch, aber einige Regionen sind da schon weiter als andere.
Christopher Braun, Abteilungsleiter Agrarwirtschaft bei der DZ Bank in Frankfurt, sieht die Erneuerbaren Energien und den Kampf um die knappen Flächen für wachsende Betriebe als eine der treibende Kräfte. Auch er geht daher von stagnierenden oder weiter steigenden Preisen aus. Momentan gebe es durchaus auch Seitwärtsbewegungen, aber von einem Rückgang der Preise könne nicht die Rede sein. Falls es doch zu Rückgängen in einzelnen Regionen komme, geschehe das zeitversetzt zu Wohnimmobilienmärkten. „Die Bodenmärkte stehen nur bedingt in einer Korrelation zum Wohnimmobilienmarkt“, so Braun. Der Krieg in der Ukraine und die hohe Inflation sorgen, neben politisch angestoßenen Umstrukturierungen (z. B. Umbau der Tierhaltung), allerdings auch bei Landwirten für eine Kaufzurückhaltung. Das beobachtet Harald Noje-Knollmann – Ressortspezialist für land- und forstwirtschaftliche Immobilien bei der Volksbank Immobilien Münsterland. Das Angebot werde größer. Vor zwei Jahren seien Flächen nur über Gebotsverfahren veräußert worden. Heute stehen die Interessenten nicht mehr direkt Schlange, die Kaufgebote werden mehr und mehr abgewogen. Doch, da ist sich Noje-Knollmann sicher: „Das Gut Land bleibt immer knapp.“ Ein starker Preisverfall sei daher auch nicht zu erwarten.
Wohin letztlich die Reise geht, lässt sich nicht mit Sicherheit sagen. Die Aussagen der Experten decken sich häufig, aber nicht in allen Punkten. Und durch regionale Unterschiede, kann man sowieso keine pauschalen Urteile fällen. Dennoch: Ein Rückgang der Landpreise ist in der Tendenz eher nicht zu erwarten, auch wenn z. B. die Abkehr von der Nullzinspolitik einige „Geldparker“ abgeschreckt haben mag, gibt es andere Treiber, welche die Preise stabil oben halten.

Ihr Kontakt zur Redaktion:
frederic.storkamp@topagrar.com

Kontakt


    Art, Umfang und Zwecke der Erhebung und Verwendung Ihrer personenbezogenen Daten können Sie unserer Datenschutzerklärung entnehmen.